Interview: Pferdetransport nicht ohne Berücksichtigung vom Tierwohl

Freren

Wie wichtig ist der Befähigungsnachweis für den Pferdetransport?

Reitsport ist eng mit dem Transport von Pferden verbunden. Jeder Transport bedeutet für das Pferd ein erhöhtes Risiko und besondere Belastungen. Die besondere Befähigung zum Pferdetransport sollte daher allein unter dem Aspekt des Tierwohls für jeden Pferdebesitzer und jede Pferdebesitzerin selbstverständlich sein. Die gesetzlichen Vorschriften stellen dabei nur die Mindestanforderungen dar. Vielen Pferdebesitzern und Pferdebesitzerinnen ist allerdings nicht bekannt, dass für die Beförderung von Pferden im Straßenverkehr ab einer Strecke von 65 km ein entsprechender Befähigungsnachweis mitgeführt werden muss.

Dieses Thema greifen wir als DEULA Freren, Lehranstalt für Landtechnik, Technik und Umwelt in Freren als anerkannter Kursanbieter in diesem Beitrag auf und haben dazu die beiden Tierärztinnen und langjährigen Expertinnen des bsi Schwarzenbek, Frau Dr. Karen von Holleben(KVH) und Frau Anika Lücking (AL) zu verschiedenen Aspekten des Pferdetransports und des Befähigungsnachweises interviewt.

DEULA Freren: Warum ist es für Pferdebesitzer*innen so wichtig, die besonderen Anforderungen zum Transport von Pferden zu kennen?

AL: Im unglücklichsten Fall kommt das Pferd beim unsachgemäßen Transport zu Schaden. Zahlreiche Unfälle lassen sich vermeiden. Es gibt viele praktische Lösungen und Erkenntnisse, wie man den Pferden den Transport so sicher und leicht wie möglich machen kann. Dazu wird ja auch viel geforscht und entwickelt. Allerdings kann es auch bei einer Polizeikontrolle zu massiven Verzögerungen kommen, weil der erforderliche Befähigungsnachweis nicht vorgelegt werden kann. Zusätzliche Verzögerungen sind in den allermeisten Fällen belastend für Mensch und Tier. Die Rechtsvorschriften regeln aber nur den groben Rahmen, z. B. Anforderungen an Fahrzeuge oder Platzvorgaben.

DEULA Freren: Braucht jeder Pferdebesitzer und jede Pferdebesitzerin einen Befähigungsnachweis für den Pferdetransport? Wann braucht man einen Befähigungsnachweis?

KVH: Rechtlich ist ein von der Veterinärbehörde ausgestellter Befähigungsnachweis erst dann vorgeschrieben, wenn Pferde im Rahmen einer sog. wirtschaftlichen Tätigkeit gefahren werden. Aus der Sicht des Tierschutzes ist es aber sinnvoll, dass alle, die Pferde fahren, genau Bescheid wissen, wie der Transport für die Tiere besonders schonend durchgeführt wird. Die „wirtschaftliche Tätigkeit“ bedeutet, dass der Transport „über die Bücher läuft“. Es muss dabei mit dem Transport kein Gewinn erzielt werden. Eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ ist auch ein Transport, der im Rahmen eines Unternehmens oder einer Vereinstätigkeit durchgeführt wird, beispielsweise in einem Zucht- oder Ausbildungsbetrieb, einen Showbetrieb oder für einen Reitverein oder auch in einem landwirtschaftlichen Betrieb, der auch Pferde züchtet. Bei berufsmäßigen Tiertransporten, z. B. in Turnier- und Rennställen ist stets von einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen. In all diesen Fällen brauchen die Fahrer/innen und auch Personen, die die Tiere auf der Fahrt betreuen, einen Befähigungsnachweis.

DEULA Freren: Gibt es Ausnahmen? Wann kann ein Pferd ohne Befähigungsnach-weis transportiert werden?

AL: Das gilt nur für rein private Fahrten, wenn die Besitzer z. B. mit ihrem Pferd in den Urlaub fahren und das nirgendwo steuerlich angeben wird. Auch kurze Fahrten unter 65 km oder auch Amateurreiter*innen bei Fahrten zu Turnieren sind ausgenommen. Aber das ist aus Tierschutzsicht nicht unbedingt sinnvoll, da auch gerade auf kurzen Fahrten oder Fahrten zu kleineren oder mittleren Turnieren viele Fehler und Unfälle passieren können. Auch Fahrten von Zootieren sind oft ausgenommen. Da kommt es aber auf den Einzelfall und die Sicht der zuständigen Behörden an.

DEULA Freren: Worauf ist beim Pferdetransport im Einzelnen zu achten und wie kann vermieden werden, dass die Tiere beim Transport verängstigt oder gestresst sind?

KVH: Da gibt es viele Faktoren, von der Ausstattung des Transportfahrzeuges über die Fläche und Höhe des Standplatzes bis hin zur Lüftung oder Beleuchtung. Es gilt auch das Verhalten und die Wahrnehmung der Tiere zu kennen. All die verschiedenen Aspekte werden in dem Kurs zum Befähigungsnachweis ausführlich und zur praktischen Anwendung behandelt Auch von erfahrenen Personen, die schon lange Pferde transportieren, erhalten wir oft die Rückmeldung, dass sie froh sind, den Lehrgang besucht und die Befähigung erhalten zu haben.

DEULA Freren: Gibt es unterschiedliche Anforderungen bei kurzen und langen Beförderungen?

AL: Ja, auf langen Transporten (über 8 h) sind die Anforderungen an das Fahrzeug deutlich höher. Auch die benötigten Papiere sind andere. Es ist beispielsweise gar nicht so leicht zu gewährleisten, dass Pferde während langer Fahrten ausreichend Wasser trinken, selbst wenn sie Durst haben. Auch wenn auf kurzen Fahrten schon viel passieren kann, steigt natürlich das Risiko auf langen Fahrten.

DEULA Freren: Warum unterscheidet man beim Befähigungsnachweis zwischen dem Transport von Pferden, Nutztieren und Geflügel?

KVH: Geflügel wird in Behältnissen transportiert. Pferde werden bis auf Ausnahmen meistens in Einzelboxen gefahren. Landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen werden wiederum meistens gruppenweise zusammen in Transportabteilen gefahren. Das sind unterschiedliche Bedingungen und unterschiedlich Anforderungen. Aber natürlich unterscheiden sich auch die einzelnen Tierarten in ihrem Verhalten und ihren körperlichen Eigenschaften. Darauf werden die Kurs- und Prüfungsinhalte jeweils abgestimmt.

DEULA Freren: Welche Voraussetzungen müssen für den Kurs mitgebracht werden? Muss man für den Befähigungsnachweis eine Prüfung ablegen und wie erlange ich eine Bescheinigung?

AL: Jede interessierte Person kann am Kurs teilnehmen. Die Teilnehmenden sollten Interesse mitbringen und dem Kurs, der auf Deutsch gehalten wird, folgen können, damit sie die mündliche und die schriftliche Prüfung bestehen. Die Prüfung ist auch kein Abitur. Die Teilnehmenden müssen sich natürlich – wie bei jeder Prüfung – mit dem Lehrstoff auseinandersetzen. Auch die schriftliche Prüfung, ein Ankreuztest, ist momentan nur auf Deutsch möglich. Eine englische Version wird es möglicherweise bald geben. Wir empfehlen, sich die Unterlagen bereits vor dem Lehrgang von der DEULA anzufordern und schon mal darin zu lesen. Nach Lehrgang und bestandener Prüfung kann dann der Befähigungsnachweis bei der für den Arbeitgeber zuständigen Veterinärbehörde beantragt werden. Einzelne Veterinärbehörden verlangen auch noch eine praktische Prüfung, d. h. eine Be- oder Entladung wird nochmal amtstierärztlich begutachtet. Hier lohnt es sich, im Vorfeld bei der Veterinärbehörde anzufragen, was zusätzlich zum Prüfungszeugnis der DEULA noch gefordert ist.

DEULA Freren: Hat der Befähigungsnachweis eine Gültigkeitsdauer und gilt er auch in anderen Ländern als Deutschland?

KVH: Meistens gibt es keine zeitliche Gültigkeitsbeschränkung, aber einige Veterinärbehörden in Deutschland verlangen, dass nach 5 Jahren eine Verlängerung des Befähigungsnachweises beantragt wird. Eine erneute Teilnahme an einem Lehrgang oder einer Prüfung ist dafür nicht notwendig, obwohl Fortbildung natürlich nie schadet. Das Formular ist europäisch einheitlich und gilt in der ganze EU.

DEULA Freren: Frau Lücking, Sie haben selbst Pferde und sind Mitglied des Arbeitskreises „Transport“ der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT). Was ist Ihnen als Lehrgangsleiterin und Prüferin besonders wichtig?

AL: Ich möchte, dass die Teilnehmenden nicht nur die Prüfung bestehen, sondern für sich und die Pferde etwas mitnehmen und wirklich verstehen, warum der Transport für die Tiere belastend sein kann und wie sie dies möglichst minimieren können. Mein Ziel ist es, dass alle Teilnehmenden etwas Neues lernen bzw. zum Nachdenken angeregt werden. Den Rückmeldungen nach ist uns das bisher auch meistens gelungen. Egal ob Anfänger oder langjähriger Profi, im Hinblick auf den Umgang mit Pferden und insbesondere auch ihren Transport kann sich jeder weiterentwickeln. Durch den Austausch mit den Teilnehmenden nehme ich von jedem Lehrgang etwas Neues mit.

Die DEULA Freren bedankt sich bei Frau Dr. Karen von Holleben (KVH) und Frau Anika Lücking (AL) für die Ausführungen. Weitere Informationen zum Kursangebot erhalten Sie unter: www.deula-freren.de